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„Ich rede!“ — Kin­der über­set­zen für Eltern

„Ein Kind soll­te mit Bau­klöt­zen und Stra­ßen­krei­de spie­len, anstatt sich mit dem zu beschäf­ti­gen, was die Eltern erlebt haben oder im All­tag regeln müs­sen“, for­dert Berat. In Ein­wan­de­rer- oder Flücht­lings­fa­mi­li­en über­set­zen Kin­der und Jugend­li­che häu­fig mehr oder weni­ger frei­wil­lig für ihre Eltern. Sie sind sie bei Behör­den­gän­gen, Arzt­be­su­chen, bei Kon­flik­ten im schu­li­schen Umfeld, beim Ein­kau­fen und in vie­len All­tags­si­tua­tio­nen als Dol­met­scher dabei.

Dabei ist die Über­set­zer­rol­le der Kin­der und Jugend­li­chen der Not der Eltern geschul­det, wenn sie die neue Spra­che ein­fach nicht so schnell ler­nen, wie ihre Kin­der. Vie­le Eltern wer­den kein gutes Gefühl dabei haben, doch pro­fes­sio­nel­le Über­set­zer sind teu­er, sprach­lich ver­sier­te Freun­de und Ver­wand­te sel­ten spon­tan verfügbar.

Unser Inter­view­part­ner Berat kennt die­se Rol­le aus eige­ner Erfah­rung. Er berich­te­te davon wäh­rend zwei­er Semi­na­re zur „Inter­kul­tu­rel­len Kom­pe­tenz“ mit Stu­die­ren­den der Hoch­schu­le für Poli­zei und öffent­li­che Ver­wal­tung, die wir online durch­ge­führt haben. Auch den Stu­die­ren­den im letz­ten Semes­ter sind Kin­der und Jugend­li­che als Dol­met­scher wäh­rend ihrer Pra­xis­ein­sät­ze in kom­mu­na­len Behör­den begeg­net. So kom­men vie­le Aspek­te zur Sprache:

  • Es ist ein sehr schö­nes „Erwach­se­nen-Gefühl“, mehr zu kön­nen, als die Eltern. Das stärkt das Selbstvertrauen.
  • Kin­der und Jugend­li­che sind mit der Situa­ti­on über­for­dert. Sie ver­ste­hen Fach­be­grif­fe nicht, machen sich Sor­gen, füh­len über­gro­ße Ver­ant­wor­tung und ängs­ti­gen sich.
  • Das Kind inter­pre­tiert Zusam­men­hän­ge falsch und fragt sich nach Besu­chen beim Job­cen­ter: Kann Papa nicht arbei­ten? Will er nicht? Ist er faul oder krank?
  • Es kann Fami­li­en zer­rüt­ten, wenn Eltern die Ver­ant­wor­tung für die Belan­ge der Fami­lie wie­der selbst über­neh­men und das Kind wie­der Kind sein darf. Es ver­liert die Auf­ga­be, auf die es so stolz ist. Das löst Kon­flik­te aus.

„Die­ses Ver­ant­wor­tungs­ge­fühl wird Kin­der und Jugend­li­che prä­gen, je jün­ger sie sind und je län­ger sie für die Über­set­zer­auf­ga­be zustän­dig sind“, ist sich Berat sicher. Umso wich­ti­ger ist es, dass sich auch die Mit­ar­bei­ten­den auf der ande­ren Sei­te des Behör­den­schreib­ti­sches die­ses The­mas bewusst sind. Die Stu­die­ren­den des Bereichs öffent­li­che Ver­wal­tung tru­gen eini­ge Anre­gun­gen für den Berufs­all­tag zusammen:

  • Inter­es­se an der Situa­ti­on des Kin­des zei­gen: Wie läuft es in dei­ner Familie?
  • Die Anwe­sen­heit eines erwach­se­nen Über­set­zers für den nächs­ten Ter­min anfordern.
  • Ein Anruf kann sei­tens der Behör­den kann Sach­ver­hal­te häu­fig unkom­pli­zier­ter klä­ren, als ein Brief.
  • Wohl­fahrts­ver­bän­de um Unter­stüt­zung bitten.

„Es gibt kei­ne per­fek­te For­mel, wie man damit umgeht“, stell­te eine Stu­den­tin fest. Aber es wird hel­fen, ein waches Auge für die Belan­ge der Kin­der und Jugend­li­chen zu haben, und gege­be­nen­falls einzuschreiten!